Bislang sind fahrerlose Transportfahrzeuge, die in produzierenden Unternehmen z. B. für den Transport von Material eingesetzt werden, im wahrsten Sinne fremdgesteuert: Ein Computer plant ihre Routen und teilt ihnen Aufträge zu. Dabei haben die FTF wenig zu sagen, sie handeln lediglich nach Vorgabe und folgen den vorgeplanten Routen. Fällt ein Fahrzeug aus oder tauchen plötzlich Gegenstände als Hindernisse auf, sind die FTF hilflos. Die zentrale Leitsteuerung meldet das Problem dann an die Mitarbeiter, die die Fahrzeuge aus ihrer misslichen Lage befreien. Aufwändig ist auch die Aufnahme eines neuen fahrerlosen Transportfahrzeugs in die Fahrzeugstaffel. Denn dafür sind Änderungen im zentralen Leitsystem erforderlich.
Damit soll nun Schluss sein. Gemeinsam mit dem Oldenburger Forschungs- und Entwicklungsinstitut für Informatik (OFFIS) e. V. möchten die Wissenschaftler des IPH – Institut für Integrierte Produktion Hannover dafür sorgen, dass fahrerlose Transportfahrzeuge „erwachsen“ werden – sprich: intelligenter und selbstständiger. Zukünftig sollen die Fahrzeuge nicht mehr zentral gesteuert werden, sondern jedes FTF über eine eigene Steuerung verfügen. Die mit Sensoren ausgestatteten Fahrzeuge sollen dann selbst über ihre Routen entscheiden und z. B. die kürzeste oder schnellste Strecke wählen. Sie werden zudem weniger hilflos sein und Konfliktsituationen selbstständig lösen können. Auch bei der eigentlichen Arbeit gewinnen die FTF an Autonomie: An Auftragsstationen können sie selbst bzw. mit anderen FTF entscheiden, wer den nächsten Auftrag übernimmt. Die Bearbeitung der Aufträge soll dadurch zukünftig effizienter werden.
Dezentrale Steuerungssysteme gibt es bereits heute in der Intralogistik, z. B. gitterförmige Wegenetze. Die FTF orientieren sich daran und können an Kreuzungspunkten selbst entscheiden, wo sie abbiegen. Bislang gibt es jedoch nur Teillösungen zur Orientierung und zur Auftragsvergabe. Miteinander kommunzieren können die Fahrzeuge noch nicht. In ihrem Forschungsprojekt möchten das IPH und OFFIS die verschiedenen Fähigkeiten nun in ein Gesamtkonzept vereinen. Entwickelt werden sollen Steuerungsmethoden für fahrerlose Transportsysteme (FTS), die situative Entscheidungen ohne zentrale Kontrollinstanz ermöglichen. Dadurch können die Fahrzeuge z. B. eigenständig auf den Status von Aufträgen oder die Verkehrssituation im Streckennetz reagieren. Eine dezentrale, agentenbasierte Steuerung soll zudem die Wirtschaftlichkeit von FTS unter Störeinflüssen und wechselnden Systemkonfigurationen steigern. Agenten sind Computerprogramme, die anhand von hinterlegten Regeln in jeder Situation selbstständig Entscheidungen treffen können. Hierzu zählen u. a. die Auswahl der Routen oder Aufträge.
Die Wissenschafter aus Hannover und Oldenburg untersuchen in ihrem Forschungsprojekt zunächst die Anforderungen, die fahrerlose Transportfahrzeuge erfüllen müssen, um z. B. Routen zu planen oder über Aufträge zu entscheiden. Damit die Fahrzeuge später auf verschiedene Situationen reagieren können, werden Regeln aufgestellt, die das Verhalten der Fahrzeuge in verschiedenen Situationen bestimmen. Diese Agentensteuerung wird abschließend simuliert.
Das Forschungsprojekt „Dezentrale, agentenbasierte Selbststeuerung von fahrerlosen Transportsystemen (FTS)“ läuft vom 1. Juli 2011 bis zum 30. Juni 2013. Neben dem IPH und dem OFFIS sind auch ein halbes Dutzend Unternehmen beteiligt. Gefördert wird das Projekt mit Mitteln aus dem Haushalt des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) über die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen "Otto von Guericke" (AiF) e. V. im Auftrag der Bundesvereinigung Logistik (BVL) e. V..
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