Die Situation wirkt paradox: noch immer sind in Deutschland 3,5 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet, zugleich beklagen Wirtschaftsverbände einen eklatanten Mangel an Facharbeitern insbesondere in der Industrie. Über die Hälfte der etwa 300.000 Betriebe des verarbeitenden Gewerbes habe derzeit Probleme, offene Stellen zu besetzen. An Bewerbern mangele es nicht, vielmehr fehle es an geeigneten Kandidaten, die die Anforderungen der Unternehmen an hochqualifizierte Mitarbeiter erfüllten. Etwa 40 Prozent aller Erwerbslosen, so Experten des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), verfüge nicht einmal über eine abgeschlossene Berufsausbildung und käme daher zumindest für die kurzfristige Besetzung von freien Stellen nicht in Betracht.
Gerade in der aktuellen Phase des wirtschaftlichen Aufschwungs kommt dieser Mangel besonders zum Tragen. Unternehmen, die bereits zuvor Stellen offen lassen mussten, können nun nicht auf den gestiegenen Bedarf reagieren und neue Arbeitsplätze schaffen. Das behindert nicht nur die Expansion einzelner Betriebe, sondern stellt auch eine Gefahr für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung dar. Denn eine unzureichende Zahl von Fachkräften verursacht hohe Kosten. Eine aktuelle Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft kommt zu dem Ergebnis, dass der deutschen Volkswirtschaft allein durch das Fehlen von 48.000 Ingenieuren im vergangenen Jahr 3,5 Milliarden Euro an Wertschöpfung verloren gingen. Insgesamt, so das Institut, könnte der Fachkräftemangel bald 20 Milliarden Euro im Jahr kosten.
Aus diesem Grund fordert der DIHK derzeit verstärkt von der Politik, den deutschen Arbeitsmarkt für ausländische Facharbeiter zu öffnen. Unterstützt wird diese Forderung nicht nur von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), sondern auch vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Inzwischen wird auf EU-Ebene über die Einführung einer so genannten „Bluecard“ diskutiert, die es ausländischen Spezialisten deutlich vereinfachen soll, nach Europa einzureisen und eine Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten. Zur langfristigen Deckung des Bedarfs an qualifizierten Mitarbeitern setzen die Unternehmen jedoch vor allem auf die Ausbildung des technischen Nachwuchses. Bereits im Jahr 2005 gaben 59 Prozent aller Industriebetriebe an, dem Fachkräftemangel durch mehr Aus- und Weiterbildung begegnen zu wollen. Das gilt insbesondere für mittelständische Firmen, die von dem gestiegenen Wettbewerb um Arbeitskräfte besonders betroffen sind.
Beispielhaft kann das Engagement des Oberhausener Mittelständlers Lenord + Bauer gelten. Der international tätige Spezialist für Automatisierungstechnik setzt sich seit langem aktiv für die Nachwuchsförderung ein. So liegt die Ausbildungsqoute zum Beispiel regelmäßig über zehn Prozent. Neben der regulären betrieb-lichen Ausbildung beteiligt er sich an mehreren regionalen und internationalen Aktionen, die sich hauptsächlich an Jugendliche richten. In Kooperation mit dem gemeinnützigen Verein „Science on Stage Deutschland e. V.“ richtet Lenord + Bauer seit drei Jahren einen europaweiten Schülerwettbewerb aus, bei dem die kreative und innovative Lösung technischer Aufgabenstellungen ausgezeichnet wird. Im Rahmen seiner Beteiligung am nordrhein-westfälischen Projekt „Unternehmen#Schule“ veranstaltet der Betrieb zudem Informationsveranstaltungen für Schüler und bietet Praxiswochen für Lehrer an. Schließlich ermöglicht Lenord + Bauer den Teilnehmern der Technikausbildung am Essener Heinz-Nixdorf-Berufskolleg die praxisnahe Erstellung ihrer Abschlussprojekte direkt im Betrieb.
„Wir wollen mit unserem Engagement das Interesse von Schülern und Studenten an technischen Berufen wecken“, sagt Hans-Georg Wilk, Geschäftsführer von Lenord + Bauer. Ziel ist es, dem Fachkräftemangel aktiv zu begegnen. Langfristig verspricht die Nachwuchsförderung darüber hinaus den Unternehmen speziell an ihren Bedürfnissen ausgebildete Arbeitskräfte.